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Herkunft und Zuchtgeschichte

Von "russischen Wintermärchen", Legendenstrickern, herabsetzenden Behauptungen und dem, was man wirklich weiß

Weitere Informationen zur Zuchtgeschichte, auch speziell der Neva finden Sie auch unter Zuchtfragen.

Herkunft der langhaarigen Katzen Russlands

Über die Herkunft der Sibirischen Katze wird viel Unsinn verbreitet und selbst in sogenannten Fachzeitschriften immer wieder kolportiert, nicht zu reden von so mancher Züchterhomepage, wo einer vom anderen abschreibt.
Auch auf Katzenausstellungen muss man sich vom Hallensprecher oft so abenteuerliche Theorien anhören, dass man mit seinem Sieger im Arm am liebsten die Bühne verlassen möchte. Aber dazu später.

Zunächst zu den von den Züchtern der Rasse selbstgestrickten Legenden:

Hier das derzeit häufigste Fundstück:
"Urkundlich wurde diese vorwiegend aus St. Petersburg und aus den Weiten Russlands stammende Katzenrasse bereits vor über 1000 Jahren erwähnt."

Sogar in einige Standard-Beschreibungen hat es "das erste schriftliche Zeugnis aus dem Jahre 1000" bereits geschafft.
Vor über 1000 Jahren? Das wäre dann so um das Jahr 1000 nach Christi gewesen.

St. Petersburg (woher die Rasse doch wie oben behauptet stammen soll) wurde erst 1703 gegründet, als rund 700 Jahre später. Die Ursprünge Russlands reichen bis etwa in das 9. Jahrhundert zurück, ebenso die der kyrillischen Schrift. Die ältesten überhaupt überlieferte russische Urkunden soll aus den Jahren 1263-1360 stammen und handeln nicht von Katzen.. (Quelle)
Selbst wenn wir mal spaßenshalber annehmen, die Sibirische Katze hätte sich tatsächlich schon vor dem Jahr 1000 in Sibirien entwickelt: Wer hätte von ihr in schriftlichen Zeugnissen berichten sollen? Etwa die Ureinwohner, die gar keine Schriftsprache besaßen? Die Erschließung Sibierens begann erst 1580 mit der Expedition der Kosaken unter Jermak.

Mit an Sicherheit grenzender Warscheinlichkeit gab es um das Jahr 1000 weder in Russland, noch in Sibirien überhaupt noch keine Katzen.

Vielleicht hat ja beim Abschreiben von einer anderen Homepage irgend wann irgend jemand vesehentlich eine 0 angefügt ? "Mehr als 100 Jahre" passen eher zu dem, was zum Vorkommen langhaariger Katzen in Russland wirklich belegbar ist.

Unlängst konnte man in der Zeitschrift OUR CATS lesen, dass die Sibirische Katze aus den "extrem kalten Regionen Sibiriens und des Kaukasus" stammen würde, "aus den kältesten Gebieten der Erde", wo sie "Temperaturen von unter -50 Grad aushalten" müssten. Die Pfoten seien "wie bei anderen arktischen Tieren mit Haarbüscheln ausgestattet".

Nur mal nebenbei bemerkt: Die Entfernung vom Kaukasus bis zur Westgrenze Sibiriens ist größer als die zwischen Berlin und Stankt Petersburg, zu schweigen von der Entfernung vom Kaukasus bis zur Arktis. Da liegt Berlin näher am Polarkreis.

Ich frage mich wirklich, ob Leute, die soetwas schreiben, sich tatsächlich mit der Biologie der Katzen und der Tierwelt der Arktis oder auch nur mit Geographie befasst haben.

Offenbar nicht, denn sonst wüßten sie, das sich "die kältesten Regionen der Erde" in der Antarktis, also nahe des Südpols befinden. Wenn aber die kälteste bewohnte Region der Erde gemeint ist, so liegt diese in Nordost-Jakutien, welches nach russischem Verständnis nicht zu Sibirien sondern zum Fernen Osten gehört, während "Sibirien" hinter dem Ural beginnt und bis etwa 100km südöstlich des Baikalsees reicht. Die "arktischen" Regionen wiederum liegen nördlich des Polarkreises.

Welche Tiere sind nun in der Arktis überlebensfähig? Von den Säugetieren sind es z.B. : Eisbären, Polarwölfe und -füchse, Moschusochsen, Rentiere, Polarhasen.
Wildkatzen gehören nicht zu den Bewohnern der Arktis. (und übrigens auch nicht Sibiriens) Wer aufmerksam Reisereportagen schaut, wird auch bestätigen, dass bei den Bewohnern der arktischen Regionen Russlands ( Jakuten, Ewenken) Katzen nur selten zu den Haustieren gehören. Tatsächlich gibt es in den arktischen Gebieten nur wenige Katzen; schon gar nicht in den Wädern. Dort, wo es feste Siedlungen gibt, halten natürlich manche Menschen auch Katzen. Aber ausschließlich im Freien ohne den Schutz menschlicher Behausungen sind Katzen dort nicht überlebensfähig.

Was nun die Haarbüschel zwischen den Zehen angeht, so wird gewöhnlich ergänzt, sie würden das Ausrutschen auf Eis verhindern. Im Rasseporträt von OUR CATS 8/2014 wurde sogar behauptet, diese Haare zwischen den Zehen würden das tiefe Einsinken im Schnee verhindern. Ein paar rudimäntäre Kenntnisse in Physik oder auch einfach Beobachtung hätten solche Entgleisungen leicht verhindern können.

Bei langhaarigen Rassen, aus wärmeren Regionen, die was wunder, ebenfalls Haare zwischen den Zehen haben, wird diese "geniale Erfindung der Natur" damit begründet, dass sie Schutz vor dem heißen Wüstensand bieten würden. Wie man's braucht ...

Ebenfalls in diesem Rasseporträt wird zudem behauptet, die Haare würden die Bildung von Eisklumpen zwischen den Zehen verhindern. Leider ist das Gegenteil der Fall.
Was die tatsächlich vorhandenen Haarbüschel wirklich taugen, beweist anschaulich dieses Foto unseres Jurij:

Bei nassem Schnee bilden sich unangenehme Eisklümpchen zwischen den Zehen, die schlimmstenfalls sogar die Pfoten wundreiben können. Besitzer langhaariger Hunde können ebenfalls ein Lied davon singen. Aber woher sollten das Züchter von Stubenkatzen wissen?

Im Übrigen finden sich diese Haarbüschel mehr oder weniger ausgeprägt bei allen Langhaarkatzen. Beim Perser z.B. werden sie aber fein säuberlich mit der Nagelschere weggetrimmt.

Allerdigs kann es auch jenseits der Arktis, dort wo es tatsächlich Katzen gibt (auch Kurzhaarige!) in so mancher Gegend Russlands auch mal gerne -45° kalt werden.

Manche Züchter beharren auf einer engen Verwandschaft der Sibirischen Katze mit Wildkatzen, wie der kaukasischen Wildkatze, oder behaupten gar, in Sibirien gäbe es "endemische Wildkatzen", welche die Vorfahren der Sibirischen Katze wären. Wildkatzen (Felis Silvetris silvestris) gibt es in Restbeständen tatsächlich im Kaukasus und auch in den Grenzregionen der Ukraine und Weißrusslands zu Polen, welche bekanntlich nicht zu Sibirien gehören.
Wahr ist auch, dass es winzige Bestände der "Amur-Katze" gibt, welche jedoch nicht zu den Wildkatzen (felis silvestris) sondern zu den Bengalkatzen gehört. Abgesehen davon, dass das äußerst dünn besiedelte Amur-Gebiet nach russischem Verständnis gar nicht zu Sibirien gehört , ist es doch mehr als nur unwarscheinlich, dass sich diese äußerst scheue Kleinkatzen in nennenswerter Größenordnung mit Hauskatzen vermischt haben sollten, welche dann die Vorfahren der viele tausend Kilometer entfernt beheimateten Moskauer und Leningrader Straßenkatzen sein sollten, welche nachweislich die Gründerkatzen der Rassekatzenzucht "Sibirische Katze" sind. Sollte es tatsächlich am Amur solche Bastarde geben, oder gegeben haben, so haben sie jedenfalls nichts mit unseren Sibirischen Katzen zu tun. Doch auch diese Behauptung kann man gelegentlich lesen.

Der Vorreiter der "Kaukasische-Wildkatze-Theorie" ist Alexander Kolesnikow. Sieht man sich Bilder von Felis silvestris silvestris an, so ist man schon versucht, der Theorie zuzustimmen:

By Alena Houšková (ZOO De(c(ín) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Felis silvestris silvestris

Doch so naheliegend angesichts der Ähnlichkeit diese Theorie auch zu sein scheint: Es gibt nichts Greifbares, was sie untermauern könnte. Im Gegenteil. Neue Forschungen zur Abstammung a l l e r Hauskatzen haben belegt, dass die Ahnen aller Hauskatzen aus dem Nahen Osten stammen. (http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/hintergrund/279805.html)

Trotz der äußeren Typähnlichkeit, besonders der getigerten Exemplare, ist also die Europäische Wildkatze einschließlich ihrer Variante, der Kaukasischen Wildkatze,offenbar nicht in meßbarer Größenordnung am Genpool der Sibirischen Katze (resp. russischen Hauskatze) beteiligt; sowenig wie überhaupt an dem der Hauskatze. Neben den Erkenntnissen der Genforschung spricht auch die geringe Überschneidung der Lebensräume des Kulturfolgers Hauskatze und der in möglichst unzugänglichen Räumen lebenden Wildkatze gegen eine nennenswerte Vermischung. Auch passen Einzelgänger Wildkatze und die sozialer lebende Hauskatze vom Verhalten nicht zusammen. Auch Hybriden gelten als praktisch nicht zähmbar. Solange nicht genetische Analysen etwas anderes beweisen, müssen wir wohl davon ausgehen, dass wir eher von einer phänotypischen Parallelentwicklung als von messbarer genetischer Verwandtschaft ausgehen müssen. Zudem wären nennenswerte Vermischungen wohl eher in Gebieten zu erwarten, wo es bei weitem mehr Wildkatzen gibt als gerade in Russland. Leider konnte ich bisher auch nichts darüber finden, ob das längere Fell der Europäischen Wildkatze tatsächlich genetisch Langhhar ist oder nur eine besonders üppige Kurzhaarvariante, wie sie z.B. auch die Britsch Kurzhaar hat. Es dürfte ehrer letzteres der Fall sein.


So: und um dem verlockenden Gedanken der engen Verwandschaft mit der Europäischen Wildkatze trotz allem neue Nahrung zu geben, möchte ich eine weitere Gemeinsamkeit erwähnen:
Wildkatzen haben am Körper eine verwaschene Fellzeichnung. Schon von Anbeginn der Sibirierzucht gibt es die Klage, die Fellzeichnung der Tabbys sei zu verwaschen. Leider hat man inzwischen mächtig daran gearbeitet (wie auch immer) und es gibt Sibirier mit Mustern zum Erblinden vor Kontrast.


Ansonsten aber ist es ein Verdienst der bisher geleisteten Zuchtarbeit, dass die heutige Sibirische Katze der Europäischen Wilkatze vielfach sogar noch mehr ähnelt, als einst die Foundationtiere. Nimmt man die Standardbeschreibung des Kopfes, so scheint diese genauso gut maßgeschneidert für den Kopf der Europäischen Wildkatze zu sein:


Michael Gäbler [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Felis silvestris silvestris

Übrigens gibt es auch in Deutschland genug kurzhaarige Hauskatzen, die auf den ersten Blick Wildkatzen frappierend ähnlich sehen, ohne Wildkatzenblut zu haben. Da der Haustierabschuss in Deutschland erlaubt ist, fallen auch genug Wildkatzen Jägern zum Opfer. Andererseits kommt es immer wieder vor, dass junge Wildkatzen für Hauskatzen gehalten und "adoptiert" werden - bis ihr Verhalten Zweifel aufkommen läßt.
Siehe hier>>
und hier>>

Die Bayrische Forstverwaltung hat deshalb sogar einen Test auf ihrer Homepage.

Interessanterweise empfinden wir den Typ der Europäischen Wildkatze gar nicht als besonders wildkatzenhaft, wohl weil er eben dem unserer Hauskatzen so nahe kommt.

Wir halten fest:
Trotz äußerer Ähnlichkeit gibt es weit mehr, was gegen eine engere Verwandschaft (enger als bei anderen Hauskatzen auch) spricht, als dafür. Von handfesten Beweisen zu schweigen.

Aber Russische Wintermärchen sind eben viel schöner als die ganz alltägliche Warheit.

Die Warheit ist, dass die gewöhnliche russische Hauskatze zur Gruppe der europäischen Hauskatze gehört, die vom europäischen Teil Russlands und der Ukraine bis nach Sibirien verbreitet ist, wohin sie mit den russischen Kolonisten eingewandert ist. (Nicht umgekehrt) Unter diesen Hauskatzen ist das Langhaargen verbreitet und zwar ebenfalls von Westrussland bis in die Regionen südöstlich des Ural und weiter bis in den Fernen Osten Russlands - im Grunde überall dort, wo überhaupt Hauskatzen gehalten werden.



Stjopa, ganz normaler Sibirischer Hauskater 2008 in Novosibirsk (Dieses Foto erhielt ich von Lena, der Tochter der Besitzerin von Stjopa per E-mail. Sie hatte bei uns nach einem Kitten angefragt und von ihrem Hauskater zu Hause berichtet, der auch ein dickes Fell hätte. Ich bat sie daraufhin um ein Foto.

Liest man die Rassebeschreibungen auf vielen Homepages, so könnte man meinen, schon die freilaufenden "Sibirischen Katzen" in Russland wären eine eigenständige Spezies. Aber wie sollte das gehen, wenn genauso viele Kurzhaarige herumlaufen?

Dieses Bild, aufgenommen im Wolgograder Gebiet, zeigt anschaulich, wie es wirklich aussieht: Klick mich>>

Die Bezeichnung "Sibirische Katze" ist ursprünglich keine Rasse- oder Herkunftsbezeichnung, sondern bezeichnet einen bestimmten Katzentyp. Das Langhaargen wird rezessiv vererbt, weshalb die kurzhaarigen Katzen (übrigens mindestens ebenso wetterfest) überall in der Überzahl sind und waren. Liegt manchmal ein langhaariges Kätzchen im Wurf, womöglich noch von besonders kräftiger Statur, so bezeichneten die Russen so ein Tier gern als "Sibirische Katze"; nicht etwa weil sie glaubten, ihre Vorfahren kämen daher, sondern weil sie mit ihrem Pelz eben so schön sibirisch ausschaut.(Quelle: Irina Sadovnikowa)

Streng genommen gibt es also überhaupt keine in sich geschlossene NaturRASSE "Sibirische Katze", sondern gelegentlich langhaarige Exemplare der russischen Hauskatze mit gewöhnlicher kurzhaariger Verwandtschaft. Bei den anderen Waldkatzen liegen diese Verhältnisse übrigens ganz ähnlich. Erst die Zucht mit diesen Einzelexemplaren hat sie zur Rasse geformt. Diese Rasse darf man aber schon als Naturrasse bezeichnen, denn anders als viele andere Rassen ist sie nicht künstlich durch Kreuzung bestehender -rassen entstanden.

Was die "Waldkatzen"grundlegend von in jüngster Zeit auch bei und gelegentlich auftauchenden langhaarigen Hauskatzenabkömmlingen unterscheidet, ist die Tatsache, dass es die Waldkatzen eben NICHT gibt, weil mal irgend einlanghaariger Rassekater Freigang hatte, sondern weil die Langhaarmutation schon seit langem, vermutlich seit Jahrhunderten in diesen Populationen existiert. Genau das unterscheidet sie auch von ähnlichen Straßenkatzen z.B. in Südeuropa, bei denen eine Vielzahl vor die Tür gesetzter Rassekatzen mitmischen.


Igor aus Moskau,1989 gekauft im Alter von wenigen Wochen auf einem Moskauer Straßenmarkt und im Handgepäck nach Berlin mitgenommen. Ich erhielt das Foto von seinen Menschen, die sich nach seinem Tod unseren Dima ausgesucht haben. So werden in Russland Katzen- und Hundekinder auf dem Markt angeboten >>

Woher kommt das Langhaargen in den russischen Hauskatzenpopulationen? Auf alle Fälle gab es wohl langhaarige Katzen in einigen Teilen Russlands schon sehr früh. Dass es durch Angorakatzen des russischen Adels verbreitet worden sein könnte, ist sehr unwarscheinlich, denn diese wenigen, meist weißen Auslandsimporte waren kostbar und wurden gehütet. In den Revolutionswirren zurückgelassene Katzen dürfte das selbe Schicksal ereilt haben, wie andere Tiere aus adeligem Besitz: So wurden kostbare Araberpferde z. B. gepeinigt, ihnen die Augen ausgestochen und erhängt. Zudem waren russische Langhaarkatzen auch im Ausland bereits Ende des 19. Jahrhunderts, also vor der Revolution, bekannt.

Wie es scheint, hat sich das Langhaargen in der russischen Hauskatzenpopulation zunächst in den südlichen Regionen Russlands, ausgehend von den alten Handelswegen der Seidenstraße verbreitet, ob nun ursprünglich von west nach ost oder umgekehrt, sei dahingestellt. Möglicherweise gab es neben dem Nahen Osten eine weitere geographisch Ursprungsregion der Langhaarmutation in China. Die frühesten Darstellungen langhaariger Katzen finden sich auf auf chinesischen Tuschezeichnungen des 10. und 11. Jahrhunderts.
siehe: Cats in Chinese art
Auch heue gibt es unter den bedauernswerten chinesischen Katzen sehr viele langhaarige.
In einem Buch über den Pelzhandel wird erwähnt, dass chinesische Katzen größer wären als die Europäischen und einen dickeren, breiteren Kopf hätten.
Zumindest in den Grenzregionen ist durchaus ein Einfluss chinesischer Katzen denkbar.

Jedenfalls waren langhaarige Katzen besonders in den südlichen Regionen, wie der südöstlichen Ukreine, aber auch in der südlichen Uralregion offenbar schon sehr lange anzutreffen.
Reisende aus fernen Ländern fanden sie, im Gegensatz zur einheimischen Bevölkerung schon früher interessant.

Schriftliche Quellen sind rar. Wenn ein Interesse an Katzen zu schriftlichen Äußerungen führte, ging es primär immer um die Pelze. Die wenigen Quellen sind mit Vorsicht auszuwerten. Nich jede Erwähnung einer Katze in Russland meint gleich eine im Typ der heutigen Sibirischen Katze. Ja, selbst dort, wo die Bezeichnung "Sibirische Katze" verwendet wird, muss keine langhaarige Katze gemeint gewesen sein.

Der Begriff "Sibirische Katze"

Einer der ältesten schriftliche Belege der Bezeichnung "Sibirische Katze" stammt aus dem Jahre 1832, ist also ca. 170 Jahre alt:

In dem Buch "Letters from the north of Europe; or a journal of travels in Holland, Denmark &c" von Charles Boileau Elliot bezeichnet ein Händler auf eindringliche Nachfrage des Reisenden den Pelzbesatz seines Mantelkragens als "Sibirische Katze". Doch Vorsicht mir vorschneller Gleichsetztung. Der von ihm zunächst verwendete Fachausdruck der Rauchwarenhändler "jennet" bezeichnet das Fell der Ginsterkatze (Genetta), ein Edelpelz, der übrigens kurzhaarig ist, wobei noch zu erwähnen ist, dass Langhaarkatzen als nicht verwendbar für Pelzzwecke galten.
"Sibirische Katze" war der verschleiernde Begriff für Fälschungen dieses Edelpelzes gefaket aus schwarzem Hauskatzenfell.
siehe hier >>
Der Zusatz "Sibirisch" dürfte lediglich dazu gedient haben, den Begriff "Katzenfell" etwas aufzuwerten. Schließlich galten (Wildtier-)felle aus Sibirien als Oberklasse der Rauchwaren, z.B. im vergleich zu amerikanischen.

Ähnlich dürfte es mit Beispiel 2 sein:

In dem Buch "St. Petersburgh: A journal of travels to and from that capital ..., Band 1 von Augustus Bozzi Granville aus dem Jahre 1828 steht folgendes: "In an open sledge they not unfrequently wear a cap made of the fur of a Siberian cat or a sable."

Eine Kappe aus dem Fell einer Sibirischen Katze oder einem Zobel. Auch hier dürfte die Sparversion des Genetta-Fells gemeint sein.

Ein weiterer Hinweis auf die Pelzbezeichnung "Sibirische Katze" findet sich in dem um 1913 erschienenen Buch von Emil Brass:
"Aus dem Reich der Pelze"

"Sibirien liefert eine langhaarige Katze (Anm.: gemeint ist ein Pelz) mit feinem, seidenartigem Haar, aber meist schwarzer oder bräunlicher Farbe..."
Die Gennet-Katze läßt grüßen.

Auch Emil Brass machte bereits im Bezug auf den Pelz den Fehler, der auch heut ständig im Bezug auf die Katze gemacht wird: Er setzt die Bezeichnung mit der Herkunft gleich.

Nicht unwarscheinlich, dass über die Assoziation mit dem verbreiteten PELZ-Billigimmitat der Begriff "Sibirische Katze" überhaupt erst auf besonders pelzig aussehende Katzen übertragen wurde.

Erste schriftliche Hinweise

Der älteste schriftliche Beleg zu lebenden Katzen stammt aus dem Jahre 1864, ist also ca. 150 Jahre alt:

In "Brehms Tierleben" von 1864 (nicht erst in der 1925ziger Ausgabe, wie meist zu lesen) wurde eine rote Tobolsker Katze aus Sibirien erwähnt. Tobolsk liegt östlich des südlichen Ural.

1895 berichtet die in Leipzig herausgegebene Illustrierte Zeitung, dass ein Pärchen "Sibirischer Katzen" im Dresdner Zoo gezeigt würde. Obwohl dies aus den Quelltexten nicht ganz eindeutig hervorgeht, dürften es in beiden Fällen langhaarige Katzen gewesen sein. Gewöhnliche Kurzhaarkatzen dürfte der Zoo nicht extra aus Sibirien eingeführt haben. Auch eine einfach nur rote Katze wäre nichts Erwähnenswertes gewesen.

Hier die Originalseite aus Brehms Tierleben 1864.
(Quelle: http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit29457/index_html?pn=338&ws=2)

Auch in dem 1889 in England erschienenen Buch "OUR CATS" von Harrison Weir ist ein Kapitel der russischen Langhaarkatze gewidmet.
Hier finden Sie den Abschnitt in deutscher Übersetzung >>.

Es findet dort sich sogar eine Zeichnung:

Hier im Open-library-Projekt
kann man das ganze Buch im englischen Original lesen >>

Harrison Weir erwähnt, dass er nie in Erfahrung bringen konnte, aus welcher Gegend Russlands seine eigene Russische Langhaarkatze (die auf der obigen Federzeichnung) stammte. Sieht man sich die Karte des damaligen Russischen Reiches an, so bleibt natürlich eine Menge Spielraum. Auffällig ist die Grenznähe und sogar Überschneidung mit Gebieten, die als Herkunftsregionen der Ende des 19. Jahrhunderts erwähnten Langhaarigen Varitäten wie Persischer bzw. Khorassan-Katze (Iran, Afghanistan, Tadschikistan) und Angorakatze (Türkei und auch zum sogenannten "Hochasien" - Tibet, Nepal, Kashmir). Interssannt, dass es ähnliche Katzentypen auch heute noch in diesen Weltgegenden gibt: im Iran und in Afghanistan.
Sehr warscheinlich verbreitete sich das Langhaar-Gen über die dort verlaufende alten Fernhandelswege, die wir heute "Seidenstraße" nennen.

 

Shyla, papierlose Hauskatze aus der Ukraine. Ich erhielt das Foto von ihren Besitzern per E-mail mit der Frage, ob ihre Katze, wohl eine Sibirische Katze sein könnte.

Als um die Jahrhundertwende erste Katzenausstellungen besonders in England abgehalten wurden, waren auch langhaarige Katzen aus Russland ausgestellt. Allerdings wurden damals, ja selbst bei uns bis in die 60ziger Jahre hinein alle langhaarigen Katzen oftmals pauschal als Angorakatzen bezeichnet, bzw. wurden die damals kursierenden Bezeichnungene und Klassifizierungen sehr uneinheitlich verwendet. Eine Zucht nach Herkunftsgebieten gab es nicht. Die ohnehin seltenen langhaarigen Katzen unterschiedlicher Herkunft wurden miteinander verkreuzt und gingen ausnahmslos schließlich in der Zucht der heutigen Rasse "Perserkatze" auf.

Bemerkung am Rande:
Aktuelle Forschungen zur Abstammung unserer Hauskatzen (Driscoll) haben ergeben, dass die heutige Perserkatze genetisch kaum noch Verwandschaft zu ihren angenommenen Vorfahren aus Vorderasien aufweist, sondern genetisch weitgehend der Europäischen Hauskatze zuzurechnen ist. Sieht man sich die Bilder in dem oben genannten Buch und historische Fotos von "Angorakatzen" an, so wird man feststellen, dass diese sehr viel weniger Ähnlichkeit mit heutigen Persern gemäßigten Typs haben, als die oben abgebildete Russische Langhaarkatze von Harrison Weir. Da niemand so dumm war, die seltenen und kostbaren Langhaarkatzen mit Kurzhaarkatzen zu kreuzen und damit das Langhaar zu verlieren, ist es nicht unwarscheinlich, dass der Anteil Russischer Langhaarkatzen am Genpool der "Perserkatze" bedeutend größer ist, als bisher angenommen. Sicher ist es auch kein Zufall, dass gerade Persereinkreuzungen heute so beliebt sind, um den Typ der Sibirischen Katze "zu verbessern". In den Stammbäumen steht das natürlich nicht, aber es gibt genug Indizien.
Selbst allein durch (falsche!) Zuchtwahl läßt sich aus der Sibirischen Katze sehr leicht der Perser neu erschaffen, wie inzwischen zahlreiche (auch noch hochprämierte) Tiere beweisen.

Ein Beispiel, wie beliebig die langhaarigen Katzen früher klassifiziert wurden, findet sich in dem in Berlin 1896 publizierten Buch "ILLUSTRIERTES KATZENBUCH" von Jean Bungartz, wo es im Kapitel ANGORAKATZEN heißt: "So sah Radde (wer ist das?) im Süden Sibiriens immer nur schöne graue oder blaugraue Angoras, sogen. Chanchilla-Katzen. In dem Städtchen Tjumen, etwas östlich vom Ostabhange des Ural, traf er die ersten an, weitere kamen ihm in den russischen Ansiedlungen zu Gesicht, doch waren sie auch da seltener wie die gewöhnlichen Hauskatzen." -während er doch in dem oben zitierten Gartenlaube-Artikel die Angora-Katze in "Hochasien"(Kashmir, Tibet,Nepal) ansiedelt, ansonsten diese dagegen meist in der Türkei zugerechnet wird.

Auch damals schon schrieb offensichtlich einer vom anderen ab.
In einem Artikel in der GARTENLAUBE (beliebtes Wochenblatt) Heft 45 von 1897 Seiten746-748 schrieb der selbe J. Bungartz:"Die Katze von Island ist schön blaugrau, die Tobolsker oder sibirische Katze rot oder fuchsfarbig und die vom Kap der guten Hoffnung blau oder rot. Diese letztgenannten Spielarten dürften aber mit der gewöhnlichen Hauskatze ubereinstimmen und sich nur durch die feste Farbe in der Vererbung von dieser unterscheiden." - (Welch ein Irrtum ...)
Offensichtlich hatte Bungartz den guten Brehm aber zu oberflächlich gelesen, sonst wäre ihm sicher aufgefallen, dass Brehm die Tobolsker Katze im Zusammenhang mit langhaarigen Katzen erwähnt. Auch einen Blick auf die Landkarte hat er offensichtlich versäumt. Hätte er es getan, so wäre ihm aufgefallen, dass Tjumen und Tobolsk für russische Verhältnisse gar nicht so weit von einander entfernt sind.

Interessant in dem Gartenlaube-Artikel ist der Hinweis auf die wohl erste Katzenausstellung in Deutschland im Oktober 1897 in München:"...sie wies nur 77 Nummern auf, brachte, aber einige prächtige Tiere im Werte von 300 bis 1000 Mark zur Schau." - damals eine ungeheuere Summe, sicher gezahlt für exotische langhaarige Tiere, denn, anders als in Russland, kamen in Deutschland unter Hauskatzen langhaarige Katzen nicht vor. Zum Vergleich: Der Durchschnittslohn eines Arbeiters lag um 1900 bei etwa 834,00 Goldmark - im Jahr!!

Interessant, dass Radde besonders die blauen Katzen ins Auge stachen. Katzenfelle in blau waren bei der Pelzindustrie beliebt und gefragt. Womöglich gibt es sogar einen Zusammenhang mit der wegen ihres blauen Fells schon früh gehandelten, sogenannten Archangelsk-Katze, welche auch als Vorfahrin der Russisch-Blau gilt. Verdünnte Farben sind bei Hauskatzen selten (siehe auch in Deutschland). Gelesen hat Bungartz die Information in dem Werk:" Reisen im Süden von Ostsibririen" 1862/63 von Gustaf Radde.
Hier der Link zum vollständigen Bungartschen Tex>>t
Originaltext von Radde: Reisen im Süden von Ostsibirien 1862 - 1863 >>

Eigentlich kann es nur Zufall gewesen sein, dass Radde nur blaue langhaarige Katzen sah, denn wie er bemerkte gab es weit mehr kurzhaarige Hauskatzen, die offensichtlich nicht alle blau waren, sonst hätte er das vermerkt. Katzen suchen sich ihre Partner schließlich nicht nach Farbe und Haarart.


Archangelsk war über 300 Jahre der wichtigste Handelshafen zwischen Russland und England u. u.A. ein Zentrum des Pelzhandels. Die dort gehandelten Katzenfelle bzw. auch lebenden Katzen müssen nicht zwingend aus der Region gestammt haben, sondern könnten aus anderen Teilen Russlands ihren Weg in den Exporthafen gefunden haben, z.B. aus den Gebieten "am Osthange des Ural".

Aus Perm, einer Nachbarstadt von Tjumen stammt übrigens auch die Vorgängerkatze unseres "Kusja" aus dem K-Wurf. Ihr deutscher Besitzer (DDR) arbeitete in Perm, wo er "Schapka" auf dem Markt kaufte. Die weite Reise ins Brandenburgische machte sie mit ihrem Besitzer im Auto (ohne Transportbox!). Sie war eine blaue, langhaarige Katze, ganz ähnlich denen, die Radde 100 Jahre zuvor im gar nicht so weit entfernten Tjumen gesehen hatte. Leider habe ich von Schapka kein brauchbares Foto. Offensichtlich gibt es die blauen langhaarigen Katzen dort also bis heute.

In Tjumen gibt es sogar einen "Platz der Sibirischen Katzen" mit einem Denkmal für die Sibirische Katze aus Eisenguss. Es soll daran erinnern, dass nach dem zweiten Weltkrieg in einer großen Aktion Katzen, vorrangig aus Omsk, Tjumen und Itkutsk in die katzenfreie, von einer Rattenplage heimgesuchte Stadt Leningrad gebracht wurden. Dem Hungerwinter 1941/42 während der Blokade waren sämtliche Katzen zum Opfer gefallen.
hier der Link zum Denkmal >>
Auch auf dieser Webseite>> wird diese Geschichte erwähnt und darauf hingewiesen, dass die langhaarigen Katzen Leningrads (St. Petersburg) auf dies Aktion zurückgehen. Manches deutet darauf hin, dass erst im Zuge dieser Aktionen nach dem zweiten Weltkrieg die ersten langhaarigen Katzen in die großen Städte Nordwestrusslands gelangt sind.

Selbst in dem in Amerika (USA) 1900 erschienenen Buch von Helen M. Winslow "Concerning Cats" werden russische Langhaarkatzen erwähnt:

" The Russian long-haired pet is much less common even than the Persian and Angora.It is fond of cold weather, and its fur is denser, indicating that it has been used to colder regions. Many of the cats that we see are crosses of Angora and Persian, or Angora
and Russian, so that it is extremely difficult for the amateur to know a thoroughbred cat which has not been mixed with other varieties."
Leider gibt es kein Foto. Interessanterweise könnten aber nahezu alle abgebildetern Langhaarkatzen heute als Sibirische Katzen durchgehen. Der weitere, gelegentlich zitierte Auszug: (Mrs. Frederick Monroe of Riverside III besitzt ein bemerkenswertes Exemplar einer original Russischen Katze, einer perfekten Blauen von außerordentlicher Größe.) allerdings bezieht sich auf eine kurzhaarige Russisch blau, nicht auf eine russische Langhaarkatze.

Aber kaum hatten sich in Westeuropa und den USA die Anfänge einer Rassekatzenzucht entwickelt, an der auch die Russische Langhaarkatze ihren Anteil hatte, geriet sie als eigenständige Langhaarvarität auch schon wieder in Vergessenheit, wie übrigens auch die eigentliche Angorakatze aus der Türkei. Die wachsende Beliebtheit der in England herausgezüchteten "Perserkatze" verdrängte für Jahrzehnte andere Langhaarkatzen. Zudem war mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland auch mit der Ausfuhr besonderer russischer Katzen Schluss. - fast bis zum Fall des "Eisernen Vorhangs" Ende der 80ziger Jahre. Dies gilt übrigens genauso in die andere Richtung. Russland, resp. die Sowjetunion war praktisch schon von der internationalen Rassekatzenzucht abgeschnitten, als diese gerade erst in Fahrt kam.

Aber auch heute noch erregen die schönen Hauskatzen die Aufmerksamkeit Reisender. Hier ein Beispiel aus Sibirien(die weiß-graue Katze): http://www.flickr.com/photos/huxley1312/178474434/

...und hier in Perm (West-Sibirien):
http://www.flickr.com/photos/baton_59/260500119/

Viele weitere Fotos finden Sie unter Straßenkatzen.

In einer sowjetischen allgemeinen Enzyklopädie aus dem Jahre 1959 ist ein Kapitel der Hauskatze gewidmet. Darin findet sich auch eine Bildtafel, welche die damals in der Sowjetunion bekannten Hauskatzen-Typen zeigt. Darunter findet sich auch, übrigens an erster Stelle, die Sibirische Katze:


(Mit Klick lässt sich das Foto vergrößern)

Die sehen meinem Peter doch ziemlich ähnlich, oder?

Hier die gesamte Tafel (Klick auf das Bild öffnet eine Großansicht)
Übersetzung der Legende: KATZENPARADE:

  • 1 u. 2 sibirische (Katze)
  • 3 u. 10 angora (Katze)
  • 4,8 u. 9 persische (Katze)
  • 5 siamesische (Katze)
  • 6 schwanzlose (Katze)
  • 7 u. 11 kurzhaarige (Katze)

Interessanterweise scheinen als "Perser" und "Angora" ausschließlich weiße, bzw. sehr helle Katzen ohne ausgeprägte Zeichnung einestuft worden zu sein. Mit der "Schwanzlosen" dürfte die irische Manx gemeint sein, die auch der gute BREHM bereits beschrieb. Die Auflistung der Hauskatzenvarianten (von Rassen ist nicht die Rede!) wie auch die Verwendung von Zeichnungen an Stelle von Fotos läßt darauf schließen, dass auch hier wieder einmal aus anderen Quellen abgeschrieben wurde (dem BREHM), was bei der Erstellung einer Enzyklopädie auch ganz natürlich ist, ergänzt durch den einheimischen Typ "sibirische Katze". Auf alle Fälle sagt die Tafel nur, dass die Existenz der abgebildeten Katzentypen bekannt war, nicht aber, dass sie alle auch in der Sowjetunion als eigenständige Rasse vorhanden oder gar rein gezüchtet worden wären. Wer in der DDR großgeworden ist, kennt den feinen Unterschied auch aus unseren Hunde- und Katzenbüchern, zumal speziell eine Enzyklopädie einfach Wissen vermitteln soll.
Sieht man sich die Zeichnungen genau an, so fällt auf, dass alle als Perser oder Angora eingestuften langhaarigen Katzen weiß oder pastellfarben dargestellt sind, die Sibirischen Katzen (die es ja als Rasse noch gar nicht gab) dagegen durchgängig als Tabbys. Dies unterstreicht, dass die Auflistung nicht wirklich in unserem Sinne RASSEN zeigt sondern Katzetypen, für welche bestimmte Bezeichnungen gebräuchlich waren, wobei die tatsächlichen genetischen Herkunft eine untergeordnete Rolle spielt. Sieht man sich russische Züchterseiten an, so fällt auf, dass Tabbys, möglichst ohne weiß offensichtlich auch heute noch von russischen Züchtern mit dem Begriff "Sibirische Katze" assoziiert und darum züchterisch mit Abstand bevorzugt werden.

Der Beginn der planmäßigen Zucht

Die Geburtsstunde der "Sibirische Katze" als eigenständige langhaarige Rassekatze schlug jedoch erst mit dem Beginn der planmäßigen Zucht in und außerhalb der, damals noch, Sowjetunion.

In der Sowjetunion begann die planmäßige Zucht der Sibirskaja Koschka 1987 in St. Petersburg und von Anfang an war auch die pointfarbige "Newskaja Maskaradnaja" wie sie in Rußland nach dem Fluß Neva heißt, im Standard inbegriffen. (Lesen Sie dazu auch unter Zuchtfragen)
Es begann damit, dass erste Katzenschauen abgehalten wurden. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Russland keine Katzen mit Stammbaum. Wer also eine Katze hatte, von der er meinte, sie wäre irgendwie besonders, brachte sie mit. Die Richter aus dem Ausland bemühten sich redlich, irgendwelche Ähnlichkeiten zu im Westen bekannten Rassen zu finden. So wurde versucht, langhaarige Exemplare als Perser, Norweger oder Maine-Coon durchzubringen, langhaarige Pointkatzen als Balinesen. Meist wich der Typ aber zu stark vom Vorbild ab, zu schweigen von der Unmöglichkeit dieser Abkunft, als dass solch eine Zuordnung möglich oder auf Dauer aufrecht zu erhalten gewesen wäre. Es wuchs die Erkenntnis, dass man hier einen eigenen Langhaarschlag hatte, den die Bevölkerung als "Sibirische Katze" bezeichnete. Da der überwiegende Teil der Gründerkatzen aus Leningrad und Moskau stammte und nach dem Typ ausgewählt wurde, ist nicht ganz auszuschließen, dass auch ein geringer Teil Perserkreuzungen bereits zu diesem Zeitpunkt in die junge Sibirier-Zucht eingeflossen ist. In sowjetischen Spielfilmen jedenfalls kann man gelegentlich Perserkatzen bewundern, die auch damals schon im Zirkus gezeigt wurden. Es gibt immer Leute, die es schaffen, auch das zu besitzen, was es eigentlich nicht gibt. Übrigens sieht man in diesen Filmen auch gelegentlich Sibirische Katzen, so in zwei Szenen des Märchenfilms "Die verzauberte Marie".


Wohl die umfassendsten und detailiertesten Informationen über die Anfänge der Zucht in Russland finden Sie in dem Artikel

THE SIBERIAN CAT -
The history of love and public recognition.

von Dr. Irina Sadovnikova

Schon einige Jahre früher, etwa 1983/84 (die Quellen schwanken da) tauchten die ersten Sibirischen Katzen in der DDR auf, allerdings nicht aus Züchterhand und auch nicht aus Leningrad oder Moskau, sondern mitgebracht von Bauarbeitern des FDJ-Jugendprojetes der sogenannten "Zweiten Trasse" der Erdgasleitung in der Sowjetunion. Ob bereits in den Jahren des ersten Bauabschnitts 1975-1977 auch Tiere mit in die DDR genommen wurden, ist nicht belegt. Das gemeinsame Projekt der RGW- Länder führte von Urengoi bis Ushgorod. Der erste Bauabschnitt der FDJ befand sich in der Ukraine und der zweite in Russland südlich von Moskau. Die Standorte in der Ukraine waren in Bar, Gorodenka, Bogorodtschany, Wolowez, Stryi sowie in Iwano- Frankowsk, Gussjatin, Tolstoje und Beresowka. Jefremow, Perwomaiski, Lipezk, Starojurewo, Serpuchow und Tula waren unter anderem Standorte in Russland. Der dritte und härteste FDJ- Bauabschnitt im Ural wurde erst ab 1984 in Angriff genommen.


Dieses Foto zeigt eine "Trassenkatze" bei Gornosawodsk am südöstlichen Ural, aufgenommen ca. 1986 (Das Foto wurde mir freundlicherweise von einem Trasnik, Ullrich Bischoff, zur Verfügung gestellt
www.bischoff.magix.net)

Ulrich Bischoff bekam übrigens an der Trasse auch eine einheimische "Siamkatze" geschenkt, die Freunde später mit in die DDR nahmen. (>> siehe Zuchtfragen)

Er schrieb mir: "In den 11 Jahren meines Einsatzes in Russland, im Ural und in Kasachstan sind mir viele echte Katzen bei den Einheimischen und bei unseren
Bauarbeitern begegnet."
- wobei er, Langhaarigkeit und außergewöhnliche Zeichnung (point), die unter den dortigen Hauskatzen vorkommt mit "echten Katzen" assoziiert. Schließlich kennen wir aus Deutschland ja "gewöhnliche Katzen" ausschließlich kurzhaarig und niemals mit Pointzeichnung.

Eine Kittenkäuferin erzählte mir, was sie von einer Bekannten erfuhr, die seinerzeit an der Trasse arbeitete: Liebgewordene Sibirische Katzen wurden, mit Schlaftabletten ruhiggestellt, im Handgepäck mit in die DDR geschmuggelt, weil die notwendigen Impfungen dort unerschwinglich teuer gewesen wären.

Mit einigen dieser Trassenkatzen wurde in der DDR bereits ab 1985 (also noch vor dem Zuchtbeginn im Mutterland) auch systematisch gezüchtet und ab 1986 auch ausgestellt. Am 1.1.1987 wurde die Sibirische Katze in der DDR offiziell als eigene Rasse anerkannt und ihr ein eigener Standard zugewiesen, also noch bevor dies in Russland selbst der Fall war. Die erste in einem deutschen
Zuchtbuch (VKSK der DDR) eingetragene Katze war Wuschel am 3.03.1987. Der erste offiziell registrierte Wurf in Deutschland (DDR) wurde am 12.05.1988 geboren.
Besondesrs zu erwähnen unter diesen Züchtern der ersten Stunde ist das Ehepaar Seupel mit ihrem Zwinger "von der Hudson Bay". Ingrid und Gerhard Seupel waren die wohl bekanntesten Autoren für Hunde- und Katzensachbücher in der DDR

Einige wenige Züchter gibt es noch, die ihren Bestand weitgehend auf diesen Trassenkatzen aufgebaut haben. Da diese Katzen im Gegensatz zu den meisten Gründerkatzen in Russland aus ländlichen Gegenden stammen, sind sie über jeden Zweifel bezüglich ihrer Reinheit erhaben. Damit sind sie züchterisch besonders wertvoll und es ist lohnend mit diesen Tieren,sowohl, soweit möglich, einen besonderen Genpool zu erhalten, als auch sie züchterisch vermehrt in der Gesamtzucht einzusetzen, um Fremdbluteinflüsse neueren Datums zurückzudrängen.

Etliche "sibirische Katzen" brachten auch die Angehörigen der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte mit in die DDR und ließen sie bei ihrem Abzug zurück. Auf einer Katzenschau erzählte mir eine Besucherin, solche Katzen liefen auf einem Areal der Roten Armee herum, dass sie als ABM-Kraft mit aufräumen sollte. Leider schlugen alle Versuche der Frauen fehl, eine solche Katze einzufangen. Eine Bekannte von mir hatte ebenfalls eine langhaarige russische Findelkatze - ein wahres Prachtexemplar in black-tabby. Leider gingen diese Katzen wohl weitgehend einer planmäßigen Zucht verloren. Noch immer kommt es vor, dass Leute von einem Russlandaufentalt ein Kätzchen mitbringen, irgendwo aufgelesen und es für einen Norweger halten.

Ebenfalls 1987 kam mit einer russischen Auswanderer-Familie ein Zuchtpaar Sibirischer Katzen in die BRD. Doch erst mit dem Besitzerwechsel von Tima und Mussa in die Hände des Züchterehepaars Schultz 1989 wurde der erste registrierte Wurf in der Bundesrepublik gezogen.
Etwa zur selben Zeit wurden auch einige Exemplare aus der DDR und der CSSR importiert und schon bald wurden immer mehr Züchter auf die schöne Rasse aufmerksam. Gegenwärtig sind in Deutschland mehr als 120 Züchter dieser Rasse in den verschiedenen Vereinen registriert. Die weitaus meisten Züchter gibt es im süd-westlichen Raum der Bundesrepublik. Doch in den neuen Bundesländern, vor allem in den nördlichen, sind Sibirierzüchter dünn gesät - eigentlich erstaunlich, angesichts der Historie.
Einzelheiten zu den Zuchtanfängen in Deutschland finden Sie auf der Homepage Von der Sannochka

Zu Beginn der Zucht im Westen wurde versucht, die neue Rasse unter dem Namen "Sibirische Waldkatze" zu etablieren. Dies scheiterte einerseits an dem Widerstand der Norweger- und Main Coon-Züchter, entsprach auf der anderen Seite aber auch nicht der traditionellen Bezeichnung im Mutterland. Heute heißt die Rasse ganz offiziell und bei allen Dachverbänden "SIBIRISCHE KATZE". Aber die Bezeichnung "Sibirische Waldkatze" scheint in Deutschland unausrottbar, sogar in den Meldeformularen für Katzenausstellungen mancher Vereine, weshalb man als Züchter, befragt, ob man Sibirische Waldkatzen züchte, besser nickt. Jeder Erklärungsversuch endet gewöhnlich mit ungläubigen Blicken und dem Verdacht, man züchte eben nicht die "richtigen Sibirischen Waldkatzen."

Mehr zum Thema "Waldkatzen" ganz allgemein finden sie hier >>

Noch heute gibt es viele unregistrierte Tiere im Typ der Sibirische Katze, die als normale Hauskatzen leben, in allen Teilen der früheren Sowjetunion (siehe Fotos und Links weiter oben)- kaum ein Reisebericht, in dem der aufmerksame Zuschauer nicht eine sibirische Schönheit, gelegentlich sogar in Point, entdecken kann.

Ich verweise noch einmal auf die Linksammlung zu Straßenkatzen.

Mehr zur Geschichte der Neva und zum Langhaargen finden Sie unter Zuchtfragen.

Aber halt!
Alles was ich bis hier her geschrieben habe ist barer Unsinn.

Alles war ganz anders. Der Hallensprecher der Ausstellungen eines bestimmten Vereins hier im Berliner Raum weiß es ganz genau:

"In der Sowjetunion gab es ganz wenige Perserkatzen und weil doch jeder so eine tolle Katze haben wollte, hat man mit den paar Persern alles gedeckt, was vier Beine hat. So sind die Sibirischen Katzen entstanden."

Hätte der Gute in der DDR gelebt, so wüßte er, das Mangelwirtschaft anders geht:
Auch in der DDR gab es im Vergleich zu heute wenige Perserkatzen, wenn auch wohl erheblich mehr als in der Sowjetunion, denn in der DDR gab es eine Katzenszene mit Verein, geregelter Zucht und Ausstellungen. Besitzer einer solchen Katze hätten einen Teufel getan, ihr Prachtstück wahllos alles was vier Beine hat, decken zu lassen. Wer würde sich wohl selbst das Geschäft kaputt machen? Daher kann ich mich auch nicht erinnern, jemals eine freilaufende Langhaarkatze gesehen zu haben.

Selbst heute in der Bundesrepublik, wo es doch unendlich viele langhaarige Rassekatzen und solche ohne Papiere gibt, ist eine langhaarige Hauskatze auf dem Dorf oder in Großstadtstraßen eine Nadel im Heuhaufen. Aber man arbeitet dran. Neulich erreichte mich per E-mail ein Hilferuf der Besitzerein eines abgängigen, potenten Sibirischen Katers, der regelmäßig Freigang genoss. Man wollte etwas über das Verhalten potenter Kater wissen und wie die Heimkehrchancen stünden. Warum der nicht kastriert sei? Die umwerfende Antwort: Als Rassekatze sei er doch zu schade zum kastrieren.

Aber da in Russland (resp. der Sowjetunion) alles ganz anders war, werden da natürlich wenige Zirkuskatzen gereicht haben, um von Brest bis Wladiwostok auch in den abgelegensten Gegenden das Langhaargen zu etablieren. Diese These geht übrigens auf die Anfänge der Sibirier-Zucht in der Bundesrepublik zurück und war das Totschlagargument der etablierten Norweger- und Maine-Coon-Züchter gegen die neue, als bedrohliche Konkurrenz empfundene Rasse.

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